Briten müssen bei jeder Einreise in die EU Fingerabdrücke abgeben
Biometrie-App noch nicht einsatzbereit – Reisende am Hafen von Dover müssen Fahrzeuge verlassen, um sich auszuweisen
Britische Staatsbürger, die häufig in die EU reisen, müssen künftig bei jedem Grenzübertritt in den Schengen-Raum ihre Fingerabdrücke abgeben – Grund ist die Verzögerung bei der Entwicklung einer App zur digitalen Überprüfung biometrischer Daten, meldete The Guardian Ende Mai 2025.
In diesem Sommer bleibe noch „alles wie gehabt“, ab November werde es „eine große Veränderung“ im Reiseverkehr geben, so Doug Bannister, Geschäftsführer des Hafens von Dover.
Um die Störungen möglichst gering zu halten, habe man „bedeutende Infrastrukturmaßnahmen“ getroffen, darunter die Rückgewinnung von 13 Hektar Land im Hafen von Dover, um Reisende, die aus Autos und Bussen aussteigen müssen, unterzubringen.
Im neuen System müssen alle Fahrzeuginsassen aussteigen, um einzeln fotografiert und ihre Fingerabdrücke genommen zu bekommen.
Bei jeder weiteren Reise soll dann entweder ein Fingerabdruck oder ein Gesichtsbild zusammen mit der Reisepassnummer überprüft werden. Ziel ist es, das bisherige manuelle Stempeln zu ersetzen und die Aufenthaltsdauer britischer Besucher in der EU automatisch zu erfassen.
Vorgesehen ist eine App, die auf einem Tablet der Grenzbeamten installiert und zur biometrischen Verifizierung ins Fahrzeug gereicht werden kann. Frontex, die europäische Grenzschutzagentur, hat die App entwickelt, betonte jedoch, dass die Umsetzung Sache der einzelnen Mitgliedstaaten sei.
„Uns wurde gesagt, dass die App frühestens im November einsatzbereit sein wird, hoffentlich aber kurz danach“,
sagte Bannister.
„Das bedeutet, dass auch Zweit-, Dritt- oder Viertbesucher ihre biometrischen Daten weiterhin direkt an der Grenze erfassen lassen müssen“, erklärte er. Das heißt, Passagiere müssen bis zur Einsatzfähigkeit der App weiterhin aus ihren Fahrzeugen aussteigen.
Der Hafen ist stolz auf seine Effizienz. Laut Bannister kann eine Fähre in Dover in nur 45 Minuten mit 120 Lkw, 1.000 Passagieren und mehreren hundert Autos be- und entladen werden – schneller als ein Airbus A320 am Flughafen Gatwick. Er ist zuversichtlich, dass die neuen biometrischen Kontrollen eine Autoreise nur um etwa sechs Minuten verlängern werden. Die neue Regelung bringt für Dover besondere Herausforderungen mit sich, da der Hafen von Klippen umgeben ist und kein sicherer Raum für Passagierkontrollen mitten im täglichen Strom von 10.000 Lkw besteht.
„An Flughäfen gibt es gut beleuchtete, klimatisierte Hallen mit geordneten Warteschlangen. Wir müssen dagegen mit vier Insassen in einem Auto auf einer stürmischen Nachtfahrt rechnen. Da können wir niemanden mitten in der Fährschlange aussteigen lassen – das wäre zu gefährlich.“
Virtuelle Grenzanlage mitten in Dover
In einer außergewöhnlichen Lösung, die von den Regierungen des Vereinigten Königreichs und Frankreichs unterstützt wird, entsteht in Dover ein virtuelles Grenzkontrollsystem – 1,4 Meilen (etwa 2,25 km) vom eigentlichen Hafen entfernt – auf 12 Hektar neu gewonnenem Land. Von den westlichen Klippen aus sieht man bereits das erste Gebäude für Buskontrollen auf einer mit goldenem Sand bedeckten Fläche. In den kommenden Monaten sollen zusätzliche Einrichtungen für Autos und einen zweiten Busbereich gebaut werden. Zur Sicherung der Grenzprozesse werden Busse mit Klebeband versiegelt, bevor sie über das Stadtgebiet von Dover zum östlichen Terminal weiterfahren.
Unregelmäßige Bewegungen zwischen der biometrischen Kontrolle und dem Fährterminal werden durch eine Kombination aus KI und automatischer Nummernschilderkennung überwacht.
Weitere Veränderungen erwartet
Doch das ist nicht die einzige Veränderung, die Bannister in den kommenden Monaten erwartet. Er hofft auch, dass die Neuausrichtung der Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU das ökologisch und wirtschaftlich schädliche Problem leer zurückkehrender Lkw beenden wird.
Durch strenge Kontrollen bei Frischwaren und landwirtschaftlichen Erzeugnissen – ein weiteres Brexit-Nebenprodukt – kehren an manchen Tagen schätzungsweise 30 bis 40 % der Lkw ohne Ladung auf den Kontinent zurück. Diese Kontrollen sollen im Zuge eines Neustarts unter Keir Starmer abgeschafft werden.
Mit jährlich 144 Milliarden Pfund an über den Kanal gehandelten Waren ist der Hafen von Dover von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung für Großbritannien und Frankreich, sagte Bannister. Er wickelt die Hälfte aller britischen Exporte nach Europa ab.
EU und Vereinigtes Königreich haben zugesagt, ein neues Abkommen zu verhandeln, das Lebensmittelkontrollen abschaffen soll – ein Schritt, der es kleinen Lebensmittel- und Landwirtschaftsbetrieben ermöglichen würde, erneut in die EU zu exportieren.
»Ein Zaun allein ist noch keine Lösung«
Im Interview mit dem Spiegel im April 2025 sprach der neue Frontex-Chef Hans Leijtens über Lücken beim Grenzschutz und die Schwachstellen des neuen europäischen Asylsystems.
Nach Angaben der EU-Grenzschutzagentur sind im Jahr 2024 „lediglich“ 239.000 Menschen mit abgelaufenem Visum oder ohne Aufenthaltsberechtigung in die Europäische Union eingereist. Damit ist die Zahl der irregulären Grenzübertritte um 38 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 2021 gesunken, als wegen der geschlossenen Grenzen infolge der Corona-Pandemie besonders wenig Menschen in die EU einreisen konnten. Diese immer noch hohe Zahl lässt sich nicht als Erfolg verbuchen.
Die von Frontex entwickelte App „Travel to Europe“ ermöglicht es Nicht-EU-Reisenden, freiwillig ihre Reisedokumente und ein Gesichtsbild vorab für das neue Entry/Exit System (EES) zu registrieren – bis zu 72 Stunden vor der Einreise oder Ausreise aus der EU.
Ziel ist es, die Grenzkontrollen zu beschleunigen und den Ablauf für Reisende und Behörden zu erleichtern. Die App ersetzt nicht die Grenzkontrolle, sondern macht sie effizienter. Fingerabdrücke müssen weiterhin bei der Ankunft vor Ort erfasst werden.
Die Nutzung der App ist freiwillig für Mitgliedstaaten. Schweden ist das erste Land, das sie ab dem Start des EES an bestimmten Grenzpunkten einsetzen wird. Frontex unterstützt interessierte Länder bei der Einführung.
Besonders hilfreich ist die App für ältere Menschen, Kinder oder Personen mit Behinderungen. Ein Vorab-Check-in mit der App garantiert aber keine automatische Einreise.
Die Einführung des EES wurde bereits mehrfach verschoben, zuletzt von 2022 auf 2024, nun ist sie für Herbst 2025 vorgesehen. In Deutschland wurde ein Ausführungsgesetz zum EES verabschiedet. Allerdings ist dessen Inkrafttreten noch nicht im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben worden, was auf verbleibende technische oder organisatorische Vorbereitungen hindeutet.
Die 90/180-Tage-Regelung des Schengen-Raums erlaubt es Drittstaatsangehörigen – also Personen, die weder EU- noch EWR-Bürger sind –, sich mit einem Schengen-Visum bis zu 90 Tage in Deutschland aufzuhalten und maximal 180 Tage im gesamten Schengen-Raum.
Die 90/180-Tage-Regelung trat auf EU-Ebene am 18. Oktober 2013 mit der Verordnung (EU) Nr. 610/2013 in Kraft. Diese Verordnung änderte das frühere Schengen-Grenzkodex-Regime und vereinheitlichte die Regelung zur erlaubten Aufenthaltsdauer für Drittstaatsangehörige im gesamten Schengen-Raum.
Es ist dem Redaktionsteam des Deluxe Mallorca Magazins in den letzten zwei Jahren nicht gelungen, Kontrollen zur Einhaltung der 90/180-Tage-Regelung in Deutschland festzustellen. Die Aufenthaltsdauer von Drittstaatlern wird im Land nicht kontrolliert, nicht an Flughäfen, Bahnhöfen, in Hotels oder im Alltag von der Polizei.
Foto Hafen Dover, UK: Adobe Stock